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Dover

Die Belgier lieben Musik, egal wo Du hingehst – irgendwo spielt immer ein Radio, sogar in den Duschen vom Yachtclub! Und wie in Hamburg ist auch hier die Zeit musikalisch stehen geblieben und die Playlisten der 70er, 80er und 90er laufen non-stop in der Schleife. Es wird Zeit für die See aka „enjoy the silence“.

Die Vision der Wetterfrösche: für 12 Stunden Wind 3-4 aus Nord-Ost, danach auf Süd-Ost drehend 4 – das klingt fast nach Weihnachten! Samstag morgen 09 Uhr Auslaufen Oostende und tatsächlich, wir haben achterlichen Wind 2-3 Beaufort – traumhaft! Zum ersten mal seit Hamburg entspanntes Segeln …

Sonnenschein und eine ruhige See – sunshine and a calm sea

Am Nachmittag, querab von Dunkerk kentert die Tide und 6 Stunden Gegenströmung stehen auf dem Programm, in der Bratpfanne brutzeln leckere Koteletts und der Expresso ist auch schon vorbereitet. Geschwindigkeit über Grund 2 – 3 Knoten, wir haben Zeit … alles gut!

endlich mal kein Reff im Gross – finally no reef in the mainsail

Auf der Höhe von Calais beginnt der Wind auf Süd zu drehen, genau wie vorhergesagt -auf die Frösche ist Verlass! Und er dreht und dreht … auf Süd-West, genau auf die Nase ! Schnell ein Wetterupdate ziehen, es kommt noch besser – Starkwindwarnung aus West für den frühen Morgen! Ein kurzes Funkgespräch mit der Blueberry und neuer Kurs auf Dover liegt an.

Nun gut, Zeit zum ärgern ist nicht vorhanden, jetzt heisst es absolutes wahrschauen, wir überqueren die Strasse von Dover – im rechten Winkel über die TSS (Traffic Separation Scheme). Zuerst die 4 Seemeilen breite West-Ost Piste, dann zum relaxen die 1 Seemeile breite Trennungszone und zum Abschluss nochmals das gleiche Spiel nur umgekehrt mit Dampfern auf unserer Steuerbordseite, die von Ost nach West schippern. Mehr als 400 Schiffe kommen hier täglich durch die Enge, als Bonus noch die Fähren, na zumindest sind fast keine Yachten mehr unterwegs.

Ohne auch nur ein Handelsschiff zu versenken, erreichen wir die englische Küste südwestlich bei den Godwin Bänken. 3 Seemeilen vor der Hafeneinfahrt nehmen wir Funkkontakt mit Dover Port Control auf, denn hier besteht absolute Anmeldepflicht für alle Fahrzeuge, die sich dem Hafen nähern. Wir bekommen grünes Licht für die westliche Einfahrt und eine Stunde später sind unsere Leinen fest in der Dover Marina.

Dover Marina

Nach einer Mütze Schlaf halten wir eine Krisensitzung auf der Stardust. Die Wetterkarten sehen für uns grausam aus, ein Tief nach dem anderen für die kommenden 9 Tage und keine Hoffnung auf ein Lüftchen in unsere Richtung – einfach nicht zu fassen ! Aufkreuzen gegen den meist sehr kräftigen Westwind im englischen Kanal schreiben wir gleich ab denn läuft der Strom mit uns, läuft er gleichzeitig gegen die Welle und wir stampfen uns fest, bei Gegenströmung laufen wir rückwärts. Die Hafengebühren im Königreich sind mehr als gesalzen, für die kleine 8.30 Meter Stardust fallen zwischen 25 bis 50 englische Pfund pro Nacht an, für Blueberry 30 bis 60 Pfund. Die Entscheidung lautet 100 Seemeilen zurück nach Neeltje Jans und dort auf besseres Wetter warten.

Die Rückfahrt nach Neeltje Jans verlief für Lutz auf der Blueberry alles ander als gut, nur eine Stunde nach Auslaufen kam der Funkspruch „Autopilot ausgefallen“. Für 25 Stunden sass er ununterbrochen am Ruder, das ganze bei achterlichen Wind – die Halse lauert bei jeder kleinsten Konzentrationsschwäche! An Pause war auch nicht zu denken denn ein weitere Funkspruch, diesmal von der holländischen Küstenwache mit Inhalt „Sturmwarnung für unser Seegebiet“ liess kein bummeln mehr zu. Wir erreichten Neeltje Jans gegen 18 Uhr und schleussten sofort um auf der Binnenseite ein ruhiges Nachtlager aufzuschlagen. Kurze Zeit später schlugen die Fallen am Mast, gerade noch geschafft aber das bekam Lutz schon nicht mehr mit 🙂

Nun gut, nach einer nicht zu komplizierten Analyse unserer Situation lautet die Antwort „man sollte nicht erst im Oktober von Hamburg los segeln“. Letztes Jahr hat es geklappt, aber das war ja auch ein besonderer Sommer. Jedenfalls zog Lutz die Konsequenzen, wir legten seinen Mast und er fuhr über die schönen holländischen Kanäle nach Maastricht, um dort zu überwintern. Vernüftig 🙂 Und wir auf der Stardust …. tja, die Hoffnung stirbt zuletzt und wir warten immer noch auf ein Wetterwunder. Sollte es nicht eintreffen, dann lassen wir es nochmal so richtig krachen auf der Nordsee und rauschen zurück nach Hamburg um im City Sporthafen zu überwintern. Deadline ist Ende Oktober. Bis dahin liegen wir in Rotterdam auf der Lauer – Yoohooo ! 🙂

2 Wochen später …